Scroll down to see more!

Von der Weltöffentlichkeit kaum beobachtet, fand von Anfang der 1980ziger Jahren bis zum Jahr 2009 auf Sri Lanka ein Bürgerkrieg statt. Die Minderheit der hinduistischen Tamilen forderte von der Buddhistisch Singhalesischen Mehrheit die Unabhängigkeit. Hunderttausende von Tamilen flüchteten vor den Kämpfen in ihrer Heimat ins Ausland.
Lebten 1978 lediglich 1299 Staatsangehörige aus Sri Lanka in Deutschland, waren es mit der militärischen Ausweitung des Konflikts zwischen der singhalesischen Regierung und der tamilischen Befreiungsarmee LTTE zwanzig Jahre später -1998 schon 60.000.
Die tamilischen Bürgerkriegsflüchtlinge die über Moskau in die ehemalige DDR nach Westdeutschland einreisten, verließen als Asylbewerber irgendwo in der BRD den Zug und standen mit ihrem Gepäck in einer Ihnen unbekannten Welt.
Genauso unbekannt war die Welt für den aus Colombo stammenden hinduistischen Priester Siva Sri Paskarakurukkal, als 1985 seine Reise auf dem Bahnsteig von Hamm endete
Mit einen Geschenk von deutschen Freunden, eine metallene Statur der Göttin Sri Kamadchi Ampal, gründete der damals 26 jährige 1989 im Keller eines Mietshaus den Sri Kamadchi Ampal Tempel. Einer der ersten hindu-tamilischen Tempel in Deutschland. Der kleine Andachtsraum sprach sich schnell in der tamilischen Szene herum. Von Jahr zu Jahr wuchs die Bekanntheit des Tempels in Deutschland. Parallel zur Bekanntheit wuchs die Tempelanlage und die Anzahl der gläubigen Besucher, die nicht nur zu dem jährlich stattfindenden Tempelfest kamen, sondern auch zu den wöchentlichen Tempel-Pujas (Götterdienst bzw. Verehrungszeremonien). Konflikte mit der Nachbarschaft im Westen der westfälischen Stadt blieben nicht aus.
Nach Beschwerden von Anwohnern bei der Verwaltung der Stadt konnte das große Tempelfest 1996 nur noch unter Auflagen stattfinden. Auf einer Bürgerversammlung 1997 auf der es um den Umzug des Tempels in das Industriegebiet Hamm-Uentrop ging, kam es zu fremdenfeindlichen Äußerungen Mit der Unterstützung der Kirchen, der Stadtverwaltung und den kommunalen Behörden wurde der neu gefundene Standort im Industriegebiet Hamm-Uentrop durchgesetzt. Der Rat der Stadt Hamm erklärte dass “der Tempel Bedeutung für das kulturelle Leben der Stadt erlangt habe“ und die Unterstützung “Ausdruck sei für die Offenheit und die Kraft, fremde Sitten und Gebräuche zu integrieren“. Mit einer temporären Lösung ging es an die Umsetzung des großen Hallentempels, allein aus Spendengeldern finanziert, zwischen Kohlekraftwerk und stillgelegten Bauernhof, finanziert allein aus Spendengeldern.
Vom 30. Juni bis 07. Juli 2002 führte Priester Paskaran mit der Unterstützung von 14 eingeflogenen Priestern aus den USA, Australien, Indien und Sri Lanka umfangreiche Weiherituale zur Eröffnung des neuen Tempel aus. Zu dem seit 2002 jährlich im Sommer stattfindenden großen Tempelfest kamen bis zu 25.000 Besucher aus ganz Europa.
Der Großteil der aus Sri Lanka stammenden Besucher des Sri Kamadchi Ampal Tempels, gehören der Sivaistischen (bzw. dem Saiva siddhanta) Glaubensrichtung im Hinduismus an.
Die Hauptgottheit des Tempels ist die hinduistische Göttin Sri Kamadchi Ampal (die liebesäugige). Dies wird durch die Größe des Altar markiert und durch ihre räumliche zentrale Stellung. Weitere Gottheiten wie Murukan/Skanda (ein sehr alter tamilischer Heldengott) oder Ganesa (der elephantengesichtige Vertreiber von Hindernissen) haben ihren Platz in der Tempelanlage und werden von den Gläubigen verehrt.
Während der Tempel und Siva Sri Paskarakurukkal in der religiösen Tradition des Süd-Indischen Kanchi stehen, bietet Siva Sri Paskarakurukkal durch das jährliche große Tempelfest im Industriegebiet eine Plattform in dem sich durch die Migration bedingt hinduistische Traditionen vermengen, neu ausdrücken und präsentieren können. Mit dieser “Offenheit“ wird somit in der Diaspora den Kulturellen Identitätsverlust der Kindern der Migranten entgegen gewirkt. Ein "Come toghter" der Sri Lankischen Hindu Zeremonien finden einen Platz.
„Exotik“ Nonstop findet nicht so nicht nur für den “deutschstämmigen“ Besucher am Haupttag des großen Tempelfest statt, nein auch die hier geborenen Kinder der Bürgerkriegsflüchtlinge haben Verwunderung in den Augen. Ausdruck dieser „Exotik“ sind u.a. die Gelübterituale für die verschiedenen Gottheiten die im Tempel beheimatet sind. Junge Männer lassen sich kleine Speere durch die Backen stoßen und respektvoll große Haken durch die Rückenhaut ziehen, auf ihren Schulter tragen die gepiercten zusätzlich noch Kavadis, aus Stangen und Pfauenfedern konstruierte Gerüste die mit Gewichten auf ihren Körper Drücken. Zur Musik der Trommeln und Natasvaram-Bläser Tanzen sie sich in einen Tranceähnlichen Zustand. Daneben sieht man Frauen die Feuer- bzw. Kampferschalen auf ihren Köpfen tragen oder sich am Tempel prostrieren (Niederwerfen). Während der kunstvoll geschmückte große Tempelwagen mit der Hauptgottheit Sri Kamadchi Ampal auf der einen Seite von Männern im traditionellen Lungi bekleidet an einen Seil durch das Industriegebiet gezogen wird, ziehen parallel auf der anderen Seite Frauen mit prächtigen Schmuck und in traditionellen farbenfrohen Saris. Den mehrere Kilometer langen Prozessionsweg folgen am Boden rollende Männer unter den staunenden Blicken der am Rande stehenden Anwohnern und Besuchern.
Der Abschluss des großen Tempelfest findet am folgenden Tag mit einer Prozession zum Dattel-Hamm-Kanal unter der Autobahnbrücke der A2 statt. Dort wird die bronzene Statur der Sri Kamadchi Ampal Gottheit gewaschen. Durch das Bad geht die Segenskraft auf die Region und auf die Menschen die in den Wasser baden oder mit ihm in Berührung kommen, über.
So finden die unterschiedlichen Hindu-Gottheiten und deren verschiedenen regionalen Verehrungsformen aus den Gepäck der Migranten eine Plattform in der Diaspora im Industriegebiet in Hamm.
Parallel zu den religiösen Zeremonien haben die Besucher die Möglichkeit sich bei den Verkaufsständen auf einen Nachtbargelände des Tempels mit Lebensmittel, traditioneller Bekleidung, religiösen Devotionalien, tamilischer Musik oder Haushaltsgeräten einzudecken.
Back to Top